Was bleibt
Carlotta Drinkewitz
und Delia Jürgens
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'The language of the past is always oracular: you will only understand it as builders of the future who know the present.'
Kooperative Praktiken in Zeiten von lockdown und social distancing erfordern neue Wege der Zusammenkunft. Die Pandemie beschleunigt dabei lediglich eine Entwicklung, die seit der voranschreitenden Verlagerung sozialer Interaktionen in die Sphären des Cyberspace ohnehin stattfindet und gleichsam Entfremdung und Potenzierung von Möglichkeiten bedeuten kann. Gemeinsamkeit in Einsamkeit. Die Künstlerinnen Carlotta Drinkewitz und Delia Jürgens transformieren Malerei in diesem Spannungsverhältnis zu einem digitalen, künstlerischen Ausdruck des Verbundenseins irgendwo zwischen Braunschweig und Los Angeles. Die Grenzen zwischen beiden Frauen* verschwimmen und mit ihnen jegliche klar identifizierbare individuelle Handschrift. Wie Mikroorganismen in einer Petrischale finden sie zusammen eine künstlerische Artikulation, die beide Perspektiven verschmelzen lässt.
Ihre Arbeit erscheint indes eher als Symbiose denn als Kooperation und hinterfragt herkömmliche Annahmen von Autor*innenschaft in einer Zeit, in der Konkurrenzdenken und Marktlogik künstlerischen Ausdruck häufig zu bestimmen scheinen.
Als 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie die Welt innehält, entsteht ein Vakuum, welches Hunderttausenden besonders im Globalen Süden den Atem abschnürt und Privilegierteren im Globalen Norden erstmals Luft zum Atmen, Zeit zum Innehalten gibt. Denn in der Blüte des neuen Millenniums ist Zeit in kapitalistischen Zentren längst zur Mangelware verkommen, die Messbarkeit wird zu ihrem Verhängnis. Metaphysische Überlegungen zu ihrer Beschaffenheit rücken durch die schier unaufhaltsam scheinende Ökonomisierung aller Lebensbereiche in immer weitere Ferne. Zurück bleiben emotional ausgehungerte, ausgebrannte, sich nach Sinn verzehrende Menschen, die im schlimmsten Fall ihre Melancholie nicht zu kontextualisieren vermögen und im Versuch, das Hamsterrad am Laufen zu halten, ausbrennen. Die Zeit steht nie still, wir haben keine Zeit. Zeit ist wertvoll, Zeit ist Geld, Zeit verrinnt wie Sand. Im besten Fall wissen sie, dass die Suche nach Wahrheiten vergebens ist. Dieser Erkenntnis folgend halten Carlotta Drinkewitz und Delia Jürgens inne, um ihre Umwelt und ihr Innenleben zu beobachten, ohne in Bewertung zu verfallen. Wenn Zeit wie Sand verrinnt, ist die Wüste der wohl sicherste Ort, um sich der kapitalistischen Maschinerie und ihrer Subsumierung der Zeit zu entziehen und sich auf die Schönheit des Augenblicks zu besinnen.
Die Künstlerinnen widersetzen sich dem Treibsand ihrer Generation, ohne in Resignation zu verfallen. Sie eignen sich Instagram selbstbewusst und achtsam als Medium der visuellen Kommunikation an und machen Anderen auf ihren Accounts @t4t0_0 und @f4f0_0 ihre Beobachtungen im Alltag, die Prozesse ihrer Malerei, zugänglich. Sie entfernen sich damit weiter vom patriarchal gefärbten Bild des Künstlergenies und setzen auf Vernetzung statt auf Abgrenzung. Momentaufnahmen von Palmen in der verregneten Betonwüste von Los Angeles, Satellitenaufnahmen von Landschaften oder Detailaufnahmen natürlicher Materialien stehen dort in erstaunlicher Harmonie nebeneinander und beinhalten doch stets den Kontrast zwischen Organischem und Digitalem. Der Dialog, den sie führen, ist von Gegensätzen, Überlagerungen und Verfremdungen geprägt. Was bleibt sind Fragen und die Erkenntnis, dass Wahrheit ebenso wenig definierbar ist wie die Sujets der einstigen Handyaufnahmen, die durch Überlagerung und Verfremdung von den Künstlerinnen zu organisch anmutenden, großformatigen Bildern umgeformt wurden.
Für beide Künstlerinnen ist die Wüste der Nullpunkt. Eine menschenleere, vegetationslose Landschaft, von Trockenheit gezehrt und doch nicht leer. Abermillionen von Sandkörnern, einst riesige Felsen durch Erosion bezwungen seit Jahrtausenden in Bewegung, reflektieren das grelle Licht der Sonne wie ein leuchtender Screen aus tausenden pixels. Aufmerksame Augen, Smartphone-Kameras und Internetverbindung sind alles was es braucht, um 6000 Meilen Entfernung zu trotzen und die Erfahrungswelt zweier Menschen zu verbinden, sie miteinander trotz der Unsagbarkeit der Gegenwart in Dialog treten zu lassen. Witterung. Wasseroberflächen, die unendliche Tiefen und Geheimnisse unter sich verbergen, das warme Sonnenlicht spiegelnd, nie stillstehend. Die ganze Weite der Wüste herunter gebrochen auf behutsame Detailaufnahmen des Sandes, der in seiner kleinteiligen Vollkommenheit die Genese des Gesteins beinhaltet und somit die Unendlichkeit umkreist, die gleichsam einen Anfang schafft für den sozialen Prozess der zeit- und digitalbasierten Malerei, die sich jeder Eindeutigkeit und Kategorisierung entzieht. Spuren im Sand. Spuren. Spuren. Spuren. Alexander Ostojski
Ihre Arbeit erscheint indes eher als Symbiose denn als Kooperation und hinterfragt herkömmliche Annahmen von Autor*innenschaft in einer Zeit, in der Konkurrenzdenken und Marktlogik künstlerischen Ausdruck häufig zu bestimmen scheinen.
Als 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie die Welt innehält, entsteht ein Vakuum, welches Hunderttausenden besonders im Globalen Süden den Atem abschnürt und Privilegierteren im Globalen Norden erstmals Luft zum Atmen, Zeit zum Innehalten gibt. Denn in der Blüte des neuen Millenniums ist Zeit in kapitalistischen Zentren längst zur Mangelware verkommen, die Messbarkeit wird zu ihrem Verhängnis. Metaphysische Überlegungen zu ihrer Beschaffenheit rücken durch die schier unaufhaltsam scheinende Ökonomisierung aller Lebensbereiche in immer weitere Ferne. Zurück bleiben emotional ausgehungerte, ausgebrannte, sich nach Sinn verzehrende Menschen, die im schlimmsten Fall ihre Melancholie nicht zu kontextualisieren vermögen und im Versuch, das Hamsterrad am Laufen zu halten, ausbrennen. Die Zeit steht nie still, wir haben keine Zeit. Zeit ist wertvoll, Zeit ist Geld, Zeit verrinnt wie Sand. Im besten Fall wissen sie, dass die Suche nach Wahrheiten vergebens ist. Dieser Erkenntnis folgend halten Carlotta Drinkewitz und Delia Jürgens inne, um ihre Umwelt und ihr Innenleben zu beobachten, ohne in Bewertung zu verfallen. Wenn Zeit wie Sand verrinnt, ist die Wüste der wohl sicherste Ort, um sich der kapitalistischen Maschinerie und ihrer Subsumierung der Zeit zu entziehen und sich auf die Schönheit des Augenblicks zu besinnen.
Die Künstlerinnen widersetzen sich dem Treibsand ihrer Generation, ohne in Resignation zu verfallen. Sie eignen sich Instagram selbstbewusst und achtsam als Medium der visuellen Kommunikation an und machen Anderen auf ihren Accounts @t4t0_0 und @f4f0_0 ihre Beobachtungen im Alltag, die Prozesse ihrer Malerei, zugänglich. Sie entfernen sich damit weiter vom patriarchal gefärbten Bild des Künstlergenies und setzen auf Vernetzung statt auf Abgrenzung. Momentaufnahmen von Palmen in der verregneten Betonwüste von Los Angeles, Satellitenaufnahmen von Landschaften oder Detailaufnahmen natürlicher Materialien stehen dort in erstaunlicher Harmonie nebeneinander und beinhalten doch stets den Kontrast zwischen Organischem und Digitalem. Der Dialog, den sie führen, ist von Gegensätzen, Überlagerungen und Verfremdungen geprägt. Was bleibt sind Fragen und die Erkenntnis, dass Wahrheit ebenso wenig definierbar ist wie die Sujets der einstigen Handyaufnahmen, die durch Überlagerung und Verfremdung von den Künstlerinnen zu organisch anmutenden, großformatigen Bildern umgeformt wurden.
Für beide Künstlerinnen ist die Wüste der Nullpunkt. Eine menschenleere, vegetationslose Landschaft, von Trockenheit gezehrt und doch nicht leer. Abermillionen von Sandkörnern, einst riesige Felsen durch Erosion bezwungen seit Jahrtausenden in Bewegung, reflektieren das grelle Licht der Sonne wie ein leuchtender Screen aus tausenden pixels. Aufmerksame Augen, Smartphone-Kameras und Internetverbindung sind alles was es braucht, um 6000 Meilen Entfernung zu trotzen und die Erfahrungswelt zweier Menschen zu verbinden, sie miteinander trotz der Unsagbarkeit der Gegenwart in Dialog treten zu lassen. Witterung. Wasseroberflächen, die unendliche Tiefen und Geheimnisse unter sich verbergen, das warme Sonnenlicht spiegelnd, nie stillstehend. Die ganze Weite der Wüste herunter gebrochen auf behutsame Detailaufnahmen des Sandes, der in seiner kleinteiligen Vollkommenheit die Genese des Gesteins beinhaltet und somit die Unendlichkeit umkreist, die gleichsam einen Anfang schafft für den sozialen Prozess der zeit- und digitalbasierten Malerei, die sich jeder Eindeutigkeit und Kategorisierung entzieht. Spuren im Sand. Spuren. Spuren. Spuren. Alexander Ostojski